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Ein Domizil der städtischen Kultur

Datum: 05.09.2023

Vor 70 Jahren ging das Klubhaus der LEW in Betrieb / Ausstellung weckt viele Erinnerungen

Der volkseigene Betrieb VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf (LEW) war in der DDR Schienenfahrzeughersteller. Nur in Hennigsdorf entstanden Elektrolokomotiven, viele für den Export. Wie in vielen anderen Großbetrieben und späteren Kombinaten sollten die Werktätigen auch entspannen, sich kulturell oder sportlich betätigen können. Gefeiert wurde außerdem gern – bei Betriebsvergnügen, Kulturwettstreits oder Rockkonzerten. 8.000 Menschen arbeiteten in den LEW, 9.000 im Stahl-und Walzwerk Hennigsdorf „Wilhelm Florin“.

2000 Kulturhäuser, -paläste und Arbeiterclubs entstanden auf diese Weise ab 1949 in der früheren DDR. Viele wurden neu gebaut, darunter das Klubhaus „Hans Beimler“ mit großem Saal, Ballettsaal, Musikzimmer, Bibliothek und Klubräumen. Es sollte eine „Stätte aktiver Freizeitgestaltung und Erholung, der Geselligkeit und Unterhaltung“ sein. Alfred Malpricht war der Architekt des Hauses. Die klaren Baulinien, riesige Kandelaber als Leuchten und funktionalen Räume zeugen von dessen Grundidee. Für viele LEW-Beschäftigte und darüber hinaus, die ihre Freizeit dort verbrachten – nach staatlichen Vorgaben als betriebliche Kulturarbeit, war das Klubhaus aber auch Rückzugsort und Stätte kreativen Schaffens zugleich. Mit einer Ausstellung erinnert das Stadtarchiv Hennigsdorf nun an die wechselvolle Geschichte des Hauses, das 1953 in Betrieb ging.

Dazu konnte Stadtarchivarin Anke Kaprol-Gebhardt, die sich bereits während ihres Studiums mit der betrieblichen Kulturarbeit in der DDR befasst hat, viel Material zusammentragen. Denn das Leben in den Räumen war vielgestaltig und kreativ. Die Betriebszeitung der LEW „Neues Schaffen“ hat vieles dokumentiert – zur Eröffnung des Hauses vor 70 Jahren sogar mit Sonderbeilage.

Aber auch Programmhefte, Urkunden, Auszeichnungen und Tagebücher der Brigaden zeugen von vielen schönen Erinnerungen der allumfassend gebildeten Werktätigen – so die politische Idealvorstellung - im großen Saal mit 280 Plätzen, in 13 Klubräumen oder im Billard-Zimmer und Fotolabor. Im Tanzzimmer liefen Evergreens, wurde geschunkelt.

1960 gründete der Elektriker und Filmbegeisterte Hartmut Wiener, der später zum Klubhausleiter ausgebildet wurde, gemeinsam mit vier Kolleginnen und Kollegen das Pentama-Studio. Zahlreiche Amateurfilme entstanden, teils mit Betriebsverbundenheit. Diese sind ein wichtiger Bestandteil der Schätze des Stadtarchivs und sogar des Filmmuseums in Potsdam.

Auch Horst Kruschinsky war Klubhausleiter. Anlässlich des VIII. Parteitages der SED im Juni 1971 wollte er das „grüne Licht für die kulturelle Arbeit noch heller“ leuchten lassen. Die „Stätte des geistig-kulturellen Lebens und der politisch-ideologischen Bildung und Erziehung“ füllte sich immer mit Leben. „Niveauvolle Geselligkeit“ war angesagt.

In der Gaststätte oder Weinstube trafen sich in der Freizeit Familien und Freunde. Jugendweihen oder Jugendfeiern finden noch bis heute in dem Haus statt. Es wurde genäht, getanzt, gemalt oder kabarettistisch gestritten. Blasorchester, Tanzgruppen und viele Ensemble fanden sich zusammen. Noch heute weiß beinahe jede Familie von persönlichen Erlebnissen zu berichten. Der Kammerchor Leo Wistuba geht historisch auf einen Gesangszirkel zurück. Zahlreiche Fotos, die im Stadtarchiv existieren, werden dazu in einer Dia-Schleife zu sehen sein.


1982 trafen sich im LEW-Klubhaus 1000 Zirkelteilnehmerinnen und –teilnehmer. Nur zwölf Prozent waren wirklich im Kombinat VEB LEW beschäftigt.

1998 verkaufte die Stadt den Kulturtempel an der Edisonstraße 1 der Hennigsdorfer Wohnungsbaugesellschaft mbH (HWB). Die sanierte das Gebäude und bezog einen Teil mit der eigenen Hausverwaltung. Die Musikschule Hennigsdorf, die sich nach der Wendezeit gründete und in diesem Jahre bereits seit 35 Jahren im Stadtklubhaus Hennigsdorf beheimatet ist, wird im Oktober noch ein eigenes kleines Fest beisteuern. 2009 kaufte die Stadt den Kulturtempel zurück.

Seither gibt es viele kulturelle und städtische Veranstaltungen in dem Gebäude mit dem großen Veranstaltungssaal. Zahlreiche Künstler und Ensemble traten bereits auf. Während der Corona-Pandemie diente der Saal auch den Stadtverordneten als Beratungsstätte. Tanzveranstaltungen gehören zum ständigen Angebot. Auch der Garten des Klubhauses lädt immer wieder Kulturschaffende oder Vereine zum Feiern oder Flanieren ein. Einmal jährlich feiert die Stadt ihren Sommerempfang.

Das zweite Hennigsdorfer Kulturhaus, das einen Theatersaal mit 750 Plätzen besaß, ist inzwischen verkauft. Gern erinnern sich aber viele Stahlwerker-Familien an die Klubräume, Gaststätte und den Musiksalon. Rudolf Adolf Schwarz hat es entworfen und im Auftrag der Sowjetarmee errichtet. Es diente unter anderem als Filmstudio und Spielbank und gehört nun einer Hennigsdorfer Firma.

Die Schau zu 70 Jahre Stadtklubhaus Hennigsdorf ist bis zum 22. Oktober für die Öffentlichkeit zu sehen.